Direkt zum Inhalt wechseln
LIVE Neue Nachricht im Liveticker
Bluttat in Frankreich

Geiselnahme in Kirche: "ISIS"-Täter filmten Ermordung des Priesters

"ISIS"-Terroristen stürmten während des Gottesdienstes eine Kirche in Frankreich. Die Kamera lief, als sie dem Priester die Kehle durchschnitten.

Kehle durchgeschnitten: Pfarrer Jacques Hamel (84) wurde am Dienstag während eines Gottesdienstes von den Terroristen getötet
Kehle durchgeschnitten: Pfarrer Jacques Hamel (84) wurde am Dienstag während eines Gottesdienstes von den Terroristen getötet (Foto: REUTERS/Privat-Picasa/B.Z.-Montage) Foto: REUTERS/Privat-Picasa/B.Z.-Montage

Sonntag Ansbach in Bayern, jetzt Saint-Etienne-du-Rouvray in Frankreich – zwei „ISIS“-Anschläge binnen drei Tagen erschüttern Europa: Zwei islamistische Extremisten haben Dienstag in der Normandie in einer Kirche einen Pfarrer ermordet. Die Terrormiliz hat sich zur Bluttat bekannt.

Das beschauliche 29.000-Einwohner-Städtchen Saint-Etienne-du-Rouvray in der französischen Normandie Dienstag, um 9 Uhr. In der katholischen Kirche des Ortes beginnt Pfarrer Jaques Hamel (84) mit dem Morgen-Gottesdienst.
Gegen 10 Uhr stürmen plötzlich zwei Männer mit Messern durch den Hintereingang in das Gotteshaus, brüllen „Daesh“ (arabisch für „ISIS“). Sie nehmen den Pfarrer, zwei Nonnen und zwei Kirchgänger als Geiseln. Kurz darauf schneiden sie dem Geistlichen die Kehle durch, verletzten eine weitere Geisel lebensgefährlich.

Ihre Bluttat halten sie im Video fest. „Sie haben am Altar so etwas wie eine Predigt auf Arabisch gehalten. Es war ein Horror“, beschreibt Nonne Schwester Danielle als Augenzeugin die dramatische Szene. Sie war den Terroristen unbemerkt entkommen, als einer der Täter dem anderen ein Messer reichte. Die Tötung des Priesters verglich sie mit einer regelrechten Hinrichtung. Als die Mörder kurz vor 11 Uhr aus der Kirche flüchten wollen, werden sie von angerückten Spezialeinsatzkräften der Polizei erschossen.

Großeinsatz: Polizisten und Rettungskräfte Dienstag im 29.000-Einwohner-Städtchen Saint-Etienne-du-Rouvray in der französischen Normandie (Foto: REUTERS)
Großeinsatz: Polizisten und Rettungskräfte Dienstag im 29.000-Einwohner-Städtchen Saint-Etienne-du-Rouvray in der französischen Normandie (Foto: REUTERS) Foto: SAA/JS

Die Anti-Terror-Einheit der Pariser Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen. Laut Nachrichtenagentur AFP wird einer der Angreifer von den französischen Behörden als Extremist geführt. Er soll voriges Jahr versucht haben, nach Syrien zu reisen. Gegen ihn sei dann Anklage erhoben worden, u. a. wegen Verdachts auf Verbindungen zu einer Terrororganisation. Er sei vorübergehend in Haft gewesen, dann aber mit einer elektronischen Fußfessel wieder freigelassen worden, berichtet AFP unter Berufung auf Sicherheitskreise.

„Die Katholiken wurden getroffen, aber betroffen sind alle Franzosen”, sagte Frankreichs Präsident Francois Hollande (61) beim Eintreffen mit Innenminister Bernard Cazeneuve (53) am Tatort. Der Priester sei von „zwei Terroristen“ ermordet worden, die sich auf die Terrormiliz Islamischer Staat berufen haben, sagte Hollande und erklärte: „Der IS hat uns den Krieg erklärt. Wir müssen diesen Kampf mit allen Mitteln führen!“ Frankreich Premier Manuel Valls (53) sprach von einer „barbarischen Attacke“. Ganz Frankreich und alle Katholiken seien verletzt worden, erklärte er und betonte: „Wir stehen zusammen!“

Tröstende Worte am Anschlagsort: Frankreichs Präsident Francois Hollande (61) im Gespräch mit Einsatzkräften (Foto: AFP)
Tröstende Worte am Anschlagsort: Frankreichs Präsident Francois Hollande (61) im Gespräch mit Einsatzkräften (Foto: AFP) Foto: BORIS MASLARD

Papst Franziskus betete für die Opfer. Er nehme Teil „am Schmerz und am Grauen dieser sinnlosen Gewalt“ und verurteile „jede Form von Hass auf das Schärfste“, sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi (73) und ergänzte: „Wir sind besonders betroffen, weil diese entsetzliche Gewalt mit der barbarische Ermordung eines Priesters und mit der Beteiligung von Gläubigen in einer Kirche stattgefunden hat, einem heiligen Ort, wo die Liebe Gottes verkündet wird.“

Der Generalsekretär der französischen Bischofskonferenz, Olivier Ribadeau Dumas (55), warnte nach der tödlichen Geiselnahme vor Rachegefühlen. Zwar seien alle Katholiken seines Landes und alle Franzosen geschockt von diesem „unfassbaren und barabarischen” Verbrechen. „Aber weder Hass noch Rache sind ein Ausweg”, sagte Dumas am Rande des Weltjugendtages (WJT) im polnischen Krakau.

Weltweit löste der tödliche Anschlag auf das Gotteshaus Entsetzen aus. Den Familien und Freunden des getöteten Priesters wolle man das Beileid aussprechen, erklärte Ned Price, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, in Washington. „Unsere Gedanken und Gebete sind bei den anderen Opfern des Angriffs sowie bei den Gemeindemitgliedern und Einwohnern von Saint-Etienne-du-Rouvray.”

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (60, SPD) zeigte sich tief betroffen. „Der fanatische, mörderische Hass macht jetzt noch nicht einmal Halt vor Gotteshäusern und Gläubigen“, sagte er und sprach allen Betroffenen Deutschlands Anteilnahme aus. Zugleich unterstrich er die Solidarität mit Frankreich. Deutschland sei entschlossen, gemeinsam mit seinen Partnern „dem Terrorismus die Stirn zu bieten“, sagte Steinmeier. „Die Täter wollen nicht nur Terror verbreiten, sondern auch Zweitracht in unseren Gesellschaften säen“, erklärte er und betonte: „Es ist unsere Aufgabe – die von jedem einzelnen, in besonderer Weise aber der politisch Verantwortlichen – diese Rechnung nicht aufgehen zu lassen.“

Einer der Angreifer auf eine französische Kirche stand in einem laufenden Ermittlungsverfahren wegen Terrorverdachts unter Aufsicht der Justiz und trug eine elektronische Fußfessel. Der 19-jährige Adel Kermiche habe 2015 zweimal versucht, nach Syrien zu reisen, sagte der Pariser Staatsanwalt François Molins am Dienstagabend. Er wurde einmal in Deutschland, einmal in der Türkei gestoppt und festgenommen. In Frankreich wurde daraufhin ein Anklageverfahren eröffnet und Untersuchungshaft angeordnet.

Im März dieses Jahres wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen und unter Hausarrest gestellt. Laut Molins hatte er aber die Erlaubnis, unter der Woche vormittags und am Wochenende nachmittags das Haus zu verlassen. Der von der Polizei erschossene Angreifer wurde anhand seiner Fingerabdrücke eindeutig identifiziert. Die Identifizierung des zweiten mutmaßlichen Terroristen sei noch nicht abgeschlossen, sagte Molins.

Themen: B.Z. Videos Frankreich Nachrichten Terror in Europa
Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale-Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.