Regierung und Kirche fürchteten Drogen, Satanisten und Flüchtlinge. Trotzdem können Hunderttausende ab dem 3. August an der Grenze zu Brandenburg feiern.
Polnische und deutsche Rockfans atmen auf: Trotz Querelen mit der nationalkonservativen Warschauer Regierung werden sie von diesem Donnerstag (3.8.) drei Tage lang bei Polens größtem Open-Air-Festival „Haltestelle Woodstock“ in Küstrin (Kostrzyn) an der Grenze zu Brandenburg mit Künstlern wie Mando Diao oder Materia feiern können.
Konzerte auf mehreren Bühnen, Treffen mit Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace und Amnesty International – rund 800 Events stehen bis zum 5. August auf dem Programm. Mit dem Festival bedankt sich der Musikjournalist Jerzy Owsiak nun zum 23. Mal bei jenen Freiwilligen, die sich beim „Großen Orchester zur Weihnachtshilfe” engagieren, wie Polens wichtigste Spendensammlung für Kinderkrankenhäuser heißt.
Eigentlich ein ehrenwerter Gedanke, zudem ist das Festival schon seit Jahren für viele Polen Kult für die ganze Familie. Doch die Veranstaltung stand immer wieder kurz vor der Absage. Kirchenvertreter und Regierungspolitiker liefen dagegen Sturm. Wir erklären die Probleme:
Kirche befürchtet Junkies und Satanisten
Der bekannte rechtskatholische Pater Tadeusz Rydzyk Owsiak befürchtet, dass das Festival schlechten Einfluss auf die Jugend.
Die bunte Menge und der harte Rock’n’Roll sind dem Geistlichen mit Nähe zur nationalkonservativen Regierung nicht geheuer. Rydzyks Fernsehsender TV Trwam verlor vor Jahren einen Verleumdungsprozess gegen Owsiak. In einem Beitrag über das Festival war von „Marihuana-Vergabestellen” und einem „satanistischen Einfluss” auf die Besucher die Rede.
„Es stimmt nicht, dass das Festival eine Ansammlung von Junkies ist”, wehrte Veranstalter Owsiak auch in diesem Jahr in polnischen Medien die Vermutungen ab. Er gilt als Kritiker der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Seit der Machtübernahme der Nationalkonservativen 2015 wird sein „Woodstock” auch von Sicherheitsbedenken überschattet.
Nähe zu Berlin als Sicherheitsrisiko
Zum zweiten Jahr in Folge wurde die Feier von den polnischen Behörden als Veranstaltung mit erhöhtem Sicherheitsrisiko eingestuft. Das Gelände liege nahe an Deutschland, wo es im vergangenen Dezember in Berlin einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt gegeben habe, argumentieren Warschauer Regierende. Innenminister Mariusz Blaszczak zufolge dürfte das Festival gar nicht erst stattfinden.
Einladung an Flüchtlinge bringt polnische Politiker zum Kochen
Dass Owsiak dazu auch noch in Brandenburg untergebrachte Flüchtlinge ausdrücklich zum Festival einlud, missfiel Regierungsanhängern besonders. Die PiS lehnt die Aufnahme von Flüchtlingen aus Sicherheitsbedenken strikt ab. „Wollt ihr wirklich, dass zu der Feier in Polen muslimische Einwanderer kommen?”, machte die Partei auf Twitter Stimmung gegen „Woodstock”. „Teilt den Beitrag, wenn ihr damit nicht einverstanden seid”, hieß es weiter.
Den Regierenden ginge es nicht um Sicherheit, sondern darum, das Festival ganz zu verhindern, meint Owsiak. Sonst hätten sie knapp einen Monat vor Beginn wohl kaum die Zusammenarbeit mit deutschen Feuerwehren auf Eis gelegt, meint er. Denn bei „Haltestelle Woodstock” werden auch Tausende deutsche Besucher erwartet. Mitte Juli hatten polnische Behörden überraschend erklärt, dass sie auf die Wehren aus Berlin und Brandenburg wegen angeblicher Terrorgefahr verzichten wollten.
Deutsche Feuerwehr darf nicht helfen, Polizei schon
Für deutsche Polizeibehörden gilt die Absage nicht. Die Bundespolizei und ihre Brandenburger Kollegen werden mit einer kleinen Abordnung in Kostrzyn vertreten sein. Seit 2004 findet das „Woodstock”-Festival in der Grenzstadt statt. Die Zusammenarbeit deutscher und polnischer Sicherheitskräfte habe stets hervorragend funktioniert, betonten beide Seiten.
Die Festival-Veranstalter bedauerten den überraschenden Wegfall der deutschen Helfer. Doch ein „Woodstock”-Sprecher sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Auf die Sicherheit der Veranstaltung wird das keinen Einfluss haben.” Allerdings stellten die erhöhten Auflagen sowie die kurzfristige Suche nach privaten Sicherheitsleuten die Veranstalter vor weitere Kosten und Mühen.
Überraschende Unterstützung erhalten sie jedoch aus der Bevölkerung. „Ich kriege jeden Tag Hunderte Mails von Menschen, die helfen wollen”, sagte Owsiak dem Portal „gazeta.pl”. Die Fans würden den Streit um das beliebte Festival nicht verstehen und ihre Unterstützung anbieten. Zahlreiche Spenden seien inzwischen eingegangen, sagte Owisiak. „Davon können wir das zusätzliche Sicherheitspersonal finanzieren.”