Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft, Air Berlin, hat Insolvenz angemeldet. Nach B.Z.-Informationen stehen bereits die ersten potenziellen Käufer bereit.
Mit diesem Tag hatten Branchenkenner schon vor Jahren gerechnet. Die seit Langem wirtschaftlich schwer angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin hat am Dienstag beim Amtsgericht Charlottenburg Insolvenz angemeldet. Das teilte die zweitgrößte deutsche Airline Dienstagmittag mit.
Zum vorläufigen Sachwalter bestimmte das Gericht Lucas Flöther. Der Rechtsanwalt hatte zuletzt unter anderem den insolventen Fahrradhersteller Mifa aus Sangerhausen in Sachsen-Anhalt gerettet. Die Air-Berlin-Manager um Thomas Winkelmann (57) führen aber vorerst weiter die Geschäfte.
Etihad drehte Geldhahn zu
Grund für den Insolvenzantrag: Mit-Eigentümer Etihad Airways hat nach Milliardeninvestitionen Ende voriger Woche überraschend den Geldhahn zugedreht. Dabei hatten die Araber erst Ende April den Deutschen 350 Millionen Euro versprochen, damit Air Berlin die nächsten 18 Monate übersteht und die eingeleitete Restrukturierung erfolgreich umsetzt.
Tatsächlich wurden 250 Millionen Euro gezahlt, am vorigen Mittwoch wären weitere 50 Millionen Euro fällig gewesen. Doch das Geld blieb aus. Zwei Tage später teilte Etihad den Air-Berlin-Managern mit, dass alle Zahlungen eingestellt werden.
Als Begründung gab Etihad am Dienstag offiziell an, das „sich das Geschäft Air Berlins rapide verschlechtert“ habe, „was dazu führte, dass entscheidende Herausforderungen nicht bewältigt und alternative strategische Optionen nicht umgesetzt werden konnten“. Detaillierte Begründungen nannte das Unternehmen aber nicht.
Bundesregierung gibt Millionenkredit
Am Wochenende gab es daraufhin Dutzende Telefonate und Gespräche mit potenziellen Investoren und Käufern sowie der Bundesregierung. Um nicht sofort mit einem Insolvenzantrag den Flugbetrieb mitten in den Sommerferien einstellen zu müssen, sicherte die Bundesregierung kurzfristig einen Kredit in Höhe von 150 Millionen Euro zu, mit dem der Betrieb laut Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (47, CSU) bis Ende November gesichert sei.
Doch offen bleibt, was langfristig aus Air Berlin und den mehr als 8000 Mitarbeitern wird, von denen 2500 in der Hauptstadt beschäftigt sind. Wie Air Berlin mitteilt, werden derzeit mit verschiedenen potenziellen Partnern Gespräche geführt: „Die Verhandlungen mit Lufthansa und weiteren Partnern zum Erwerb von Betriebsteilen der Air Berlin sind weit fortgeschritten und verlaufen Erfolg versprechend. Diese Verhandlungen können zeitnah finalisiert werden.“
Easyjet an Air Berlin-Teilen interessiert
Wie B.Z. aus Kreisen der Bundesregierung erfuhr, ist neben der Lufthansa auch Europas größte Airline, Easyjet, an Teilen von Air Berlin interessiert. Mit dem möglichen Kauf der Ferienflieger-Tochter Niki könnten die Briten von ihrem neuen Firmensitz Österreich aus ihr Europageschäft weiter ausbauen und eine stärkere Expansion des Hauptkonkurrenten Ryanair verhindern. Der Konzern wollte dazu keine Stellungnahme abgeben.
Lufthansa soll dagegen vor allem an den Langstreckenfliegern von Air Berlin interessiert sein, um ihre eigene Billig-Tochterfirma Eurowings weiter auszubauen. Nicht auszuschließen ist darüber hinaus, dass sich auch TUI noch an möglichen Joint Ventures beteiligt.
Zahlreiche Bundes- und Landespolitiker bedauerten die Insolvenz und äußerten vor allem Sorge um den Erhalt der Arbeitsplätze. Gleichzeitig lobten sie den Überbrückungskredit der Bundesregierung.
Berlins Regierender Michael Müller (52, SPD): „Jetzt geht es darum, dafür zu sorgen, dass möglichst viele Arbeitsplätze in unserer Region erhalten bleiben. Berlin wird alles tun, was in seiner Macht steht, um dies zu unterstützen.“
Brandenburgs Regierungssprecher Florian Engels begrüßte den Bundeskredit: „Das ist in einer schwierigen Situation eine wichtige und gute Nachricht, insbesondere für die vielen Tausend Urlauber, die mit Air Berlin verreist sind.“
Die FDP gab dem SPD-geführten Senat eine Mitschuld an der Situation. Bundestags-Spitzenkandidat Christoph Meyer (41): „Mit ihrer katastrophalen Flughafenpolitik im letzten Jahrzehnt am Standort Berlin tragen der Senat und die Flughafengesellschaft eine Mitschuld an der Insolvenz unserer einst so stolzen Hauptstadt-Airline.“